Pilze sind fast ubiquitäre Mikroorganismen, die ein großes Potential für verschiedenartigste Anwendungen in der Medizin, der Biotechnologie und der Lebensmittelproduktion bergen. Da sie kontinuierlich verschiedensten Gegenspielern ausgeliefert sind, haben fruchtkörperbildende Vertreter der Basidiomycota – Basidiomyceten-Hutpilze – chemische Abwehrmechanismen evolviert, die ihnen helfen ihre ökologische Fitness aufrecht zu erhalten. Unsere Gruppe nutzt Verfahrensweisen der funktionellen Genetik, (globale) Genexpressionsanalysen, und, in Kooperation mit anderen Arbeitsgruppen, Ansätze der analytischen Chemie, um zu einem molekularen Verständnis von Fruchtung und Verteidigung gelangen. Neben der Bereicherung des Wissenstands der Grundlagenforschung, haben unsere Forschungsergebnisse auch das Potential den Ertrags- und die Produktqualität in der Produktion essbarer Speisepilze zu steigern, sowie auch das Potential das Spektrum an Wirkstoffen zu erweitern, die z.B. als Biopestizide in der biologischen Kontrolle von Schädlingen und Krankheitserregern zur Anwendung kommen können.
In diesem Kontext erstreckt sich unser Fokus vor allem auf den essbaren Edelzuchtspeisepilz Cyclocybe aegerita (syn. Agrocybe aegerita) als Modelsystem. Zudem setzen wir uns auch mit verschiedenen Pilzen aus seinem Verwandtschaftskreis auseinander. Cyclocybe aegerita ist einer der wenigen Pilze, bei dem das so genannte monokaryotische Fruchten im engeren Sinne vorkommt (Fruchten ohne Paarung). Außerdem verfügt dieser Pilz über ein interessantes Spektrum bioaktiver Inhaltsstoffe.
In Zusammenarbeit mit Kollegen auf unserem Forschungsgebiet sowie auch interdisziplinär mit Kollegen, die auf anderen Fachgebieten angesiedelt sind, kombinieren wir ein breites Spektrum klassischer Methoden der Mikrobiologie/Mykologie, sowie auch modernste Methoden der Genomik, Genexpressionsanalyse und Genetik. Dadurch ist es nicht nur gelungen das reguläre dikaryotische als auch das monokaryotische Fruchten im engeren Sinne bei C. aegerita histologisch zu charakterisieren, sowie kürzlich gleichwohl bei der verwandten parasitischen Art Cyclocybe parasitica aus dem pazifischen Raum. Gleichfalls haben wir die Genomsequenz und das Fruchtungstranskriptom von C. aegerita analysiert, und darüber hinaus einen Werkzeugsatz entwickelt, der es erlaubt Verfahrensweisen der funktionellen Genetik bei diesem Pilz anzuwenden. Parallel dazu haben wir, in Kooperation mit Kollegen, begonnen das biotechnologische Potential von C. aegerita zu erschließen, welcher sich als wertvolle Fundgrube neuartiger bioaktiver Substanzen erweisen könnte, mit vielfältigem Anwendungspotential in Medizin und Landwirtschaft. Weiterhin, haben wir es mittels einer durch morpho-physiologische Daten gestützten Multilokus-Phylogenie von Stämmen von verschiedenen Kontinenten geschafft, die Europäische Samthaube C. aegerita von einem neuen asiatischen Artenkomplex und weiteren verwandten Arten abzugrenzen. Zuletzt haben wir nun, zusammen mit Kollegen auf dem Feld der Pilzökologie, begonnen zu ergründen inwieweit Hutpilze sich Hutpilze den Herausforderungen durch Klimawandel oder menschengemachte Ökosystemveränderungen anpassen können, wenn sie unter zunehmend stressigen Bedingungen fruktifizieren.
PD Dr. Florian Hennicke – Gruppenleiter (eigene Stelle, DFG-Projekt HE 7849/3-1, Projektnummer 437330589)
Hannah Elders, B.Sc.